Es geht auf den Herbst zu. Das Laub der Bäume verfärbt sich. Eine gute Zeit für einen Literarischen Salon zum Thema Wald, Wälder, Bäume.
Der Salon beginnt mit einer Collage von Klängen des Komponisten und Musikers Karl-Heinz Blomann. Töne, Klänge, Geräusche begleiten uns beim Aufstieg durch einen Wald in den südlichen Alpen im Goms (Kanton Wallis) bis zur Baumgrenze bei 2050 Metern. Dort weiden die Schafe.
Als erster Text wird dann das Buch Waldgeheimnisse von Peter Wohlleben vorgestellt. In Ihm werden Fragen thematisiert wie etwa: Wie funktioniert ein Baum? Wem gehört der Wald? Können Bäume kommunizieren? Neben den unglaublichen Fähigkeiten eines einzelnen Baumes erzählt es vom Zusammenleben einer Baumfamilie, geht auf tierische und menschliche Spurensuche.
An diese Vorstellung schließen sich Gespräche an, wie es dazu kommt, daß in Naturbeobachtungen oft Anthropomorphisierungen vorgenommen werden. Bäumen wird beispielsweise unterstellt, sie verfügten über Gefühle, über einen Willen, über die Fähigkeit, zielgerichtet zu handeln.
Kleines Zwischenspiel,
ein Text von Joachim Gunter Oldag
Rat des guten Maklers
Wer sich heutzutage
einen Wald
kaufen will,
muß schon mit dem Förster
auf du und du stehen. Er ist
zwar nicht
der Besitzer des Waldes,
kennt aber die Bäume.
Dann wird ein Gedicht Maria Modenas vorgestellt, Herbstlicher Baum, aus dem Band ›Musik des Lebens‹,
sowie das Buch Baltische Rhapsodie: Eine Reise in Gedichten und Essays von Martin Roemer. Die gelesene Passage berichtet von der Faszination, welche von bewaldeten Landschaften ausgeht, die ans Wasser führen. Sie werden als paradiesisch empfunden. Auch hier tauchen die Fragen wieder auf nach der Beziehung des Menschen zur Natur – und wie sich diese Beziehung verändert mit der Zeit. Wälder waren einst feindliche, für den Menschen gefährliche Schreckensorte. Heute sind sie Gegenstand unserer romantischen Sehnsucht, Orte, zu denen wir fliehen, um den Städten zu entkommen.
Ein moderner Klassiker der Literatur, die sich mit Wald und Wäldern beschäftigt, ist das Kapitel im Herrn der Ringe von J.R.R. Tolkien, das in Fangorn spielt, einem Wald Mittelerdes, der im Norden von Rohan, östlich des Nebelgebirges auf Höhe des Methedras, liegt. Hier treffen die beiden Hobbits Merry und Pippin, die sich auf der Flucht vor den Orks befinden, auf Baumbart. Er ist eines der ältesten Lebewesen Mittelerdes. Wenn er reglos dasteht, kann man Baumbart leicht für einen Baumstamm halten. Er kämpft darum, die letzten freien Bäume von Fangorn gegen zerstörerische Kräfte zu verteidigen.
Wieder einmal wird deutlich, wie weit die Interessen im Literarischen Salon gespannt sind. Sachbücher und Literatur, Lyrik und Prosa, unbekannte Autoren und Publikumserfolge, Klassiker und aktuelle Neuerscheinungen.
Ein Kinderbuch ist Alles wird wieder gut von Alma de l’Aigle; aus diesem Buch wird die Geschichte ›Das liebe Bett‹ gelesen. In dieses Bett nämlich wünscht sich sehnlich ein kleiner Junge zurück, als er mit seiner Schwester und seinem Vater einen Ausflug in einen Wald unternimmt und sie sich dort verirren. Es wird Nacht und die Furcht wächst, daß sie im Wald übernachten müssen, bei wildem Getier wie den Wölfen. Die Geschichte geht gut aus und sie finden eine Bushaltestelle. Mit schlichten, einfachen, klaren Worten wird eine Art Prototyp des Abenteuers erzählt.
Ein Klassiker deutscher Literatur ist Annette von Droste-Hülshoffs Erzählung Die Judenbuche – Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen. In dem Text spielt nicht nur die titelgebende Buche eine große Rolle, sondern auch eine Eiche. Im Salon wird folgende Stelle gelesen:
Der Mond schien klar hinein und zeigte, daß hier noch vor kurzem die Axt unbarmherzig gewütet hatte. Überall ragten Baumstümpfe hervor, manche mehrere Fuß über der Erde, wie sie gerade in der Eile am bequemsten zu durchschneiden gewesen waren; die verpönte Arbeit mußte unversehens unterbrochen worden sein, denn eine Buche lag quer über dem Pfad, in vollem Laube, ihre Zweige hoch über sich streckend und im Nachtwinde mit den noch frischen Blättern zitternd. Simon blieb einen Augenblick stehen und betrachtete den gefällten Stamm mit Aufmerksamkeit. In der Mitte der Lichtung stand eine alte Eiche, mehr breit als hoch; ein blasser Strahl, der durch die Zweige auf ihren Stamm fiel, zeigte, daß er hohl sei, was ihn wahrscheinlich vor der allgemeinen Zerstörung geschützt hatte. Hier ergriff Simon plötzlich des Knaben Arm.
»Friedrich, kennst du den Baum? Das ist die breite Eiche.« – Friedrich fuhr zusammen und klammerte sich mit kalten Händen an seinen Ohm. »Sieh«, fuhr Simon fort, »hier haben Ohm Franz und der Hülsmeyer deinen Vater gefunden, als er in der Betrunkenheit ohne Buße und Ölung zum Teufel gefahren war.«
Damit endeten die Empfehlungen und Hinweise auf Bücher zum Thema Wald, Wälder, Bäume noch nicht. Es wird von A.Th. Sonnleitners Höhlenkindern berichtet, ein Auszug aus ›Buche und Eiche‹ von Karl Ewald gelesen und aus Gerhard Meiers Land der Winde, dem letzten Band seiner Amrainer Tetralogie.
Der letzte gelesene Textauszug des Salons war:
Denn wir alle sind in der Künstlichkeit aufgewachsen, in dem heillosen Wahnsinn der Künstlichkeit, nicht nur ich, der ich zeitlebens darunter gelitten habe, sagte der Burgschauspieler aufeinmal, alle hier, sagte er, und er drehte sich nach der Jeannie um und sagte zu ihr, auch Sie, meine Liebe, die Sie mich mit Ihrem Haß verfolgen und mich verachten. Er wendete sich zuerst, ohne zu mir etwas zu sagen, mir zu, dann dem Auersberger und sagte zu dem total besoffenen, im Fauteuil eingeschlafenen Auersberger, daß es überhaupt ein Unglück sei, geboren zu sein, aber als ein solcher Mensch, wie der Herr Auersberg geboren worden zu sein, sei das größte. In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und für immer Zuhause zu sein, das empfände er als das höchste Glück. In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein. Wald, Hochwald, Holzfällen, das ist es immer gewesen, sagte er plötzlich aufgebracht und wollte endgültig gehen.
aus: Thomas Bernhard, Holzfällen